Update 24.04.2020: Einige Grundlagen zur Covid-19-Thematik erklärte ich in einem Artikel bei Telepolis: Zwischen Lockdown-Leugnern und Pandemie-Panikern
Im Anhang eine XLSX-Statistik (garantiert ohne Makros), in der der Verlauf der Bergamo-Covid-19-Infektionen simuliert wurde. Es wurde dazu ein linear-degressiver Ansatz mit einem exponentiell-degressiven Modell für die Ausbreitung kombiniert, anders lassen sich die Eckdaten (s. ganz unten) nicht kongruent abbilden.
etc.etc..... Hier die recht stabilen Ergebnisse und das herausstechendste zuerst: Anzahl der gemeldeten "Infektionen" in Bergamo um den Faltor 7 zu niedrig!
Eckdaten: 1. Toter am 22.2. (Simulation: 23.2.), 336 Tote in der Woche des 26.3 (Simulation: 329), in der Vorwoche ebenfalls >300 (Sim.: 376), insgesamt bis dahin in der Presse gemeldet ca. 1.000 Tote (Simulation: 1042).
Daraus ergeben sich die maximale Todeszahl 53 am 18.3.2020. Versus normale Todeszahl 4-6/Tag im Winter: Faktor 11 mal mehr. Und wie gemeldet, 11 Seiten Todesanzeigen statt einer, auch Faktor 11, das passt also (s. Link oben).
Annahmen: 14 Tage von Infektion bis Immunität (keine Infektiosität mehr), im Todesfall im Schnitt nur 13 Tage (wurde aus China gemeldet). Für die Simulation müssen die Infektionen mit Patient Null schon am 8. Februar angefangen haben. Startet man am 19.2 (erste gemeldete Infektion), ist es nicht möglich die bekannten Eckdaten, vor allem Todesfälle, abzubilden, insbesondere nicht den ersten vom 22. Februar. Natürlich ist ein nichtlinearer Sprung-Effekt, wie der des Champions-League Fussballspiels gegen Valencia in Mailand, in einer kontinuierlichen Statistik einfach nicht abbildbar, auch das ein Grund für den vorverlegten Beginn. Die Zahlen vor dem 19. Februar sind also nur eine Hilfskonstruktion.
Eindeutig ist: die sog. "Fallzahlen" sind so stark vom Testen abhängig, daß daraus keine Schlüsse gezogen werden sollten. Nur die Todesraten geben Aufschluss über das Geschehen in der Vergangenheit und erlauben Schlüsse auf die Zukunft. Auf z.B. Deutschland angewandt: Gemäß Simulation hatte Bergamo am 14.März schon 29.000 Infizierte, als die kumulierte Todeszahl gerade mal 464 betrug, das ist ungefähr der Stand in D von heute. Rechnet man die "Überlastung" der Versorgung ab, die schon zu diesem Zeitpunkt bei >20-40 Todesfällen pro Tag statt 4-6 ein massives Problem in Bergamo war, dann passt das sogar zu den praktisch doppelt so hohen deutschen "Fallzahlen" (57.695 Fälle, aber 433 Tote). Man kann daraus zweierlei ableiten: Entweder die Letalität in Bergamo war nur halb so hoch und es haben sich tatsächlich eher schon 60% der Bevölkerung (>70.000) angesteckt - eher unwahrscheinlich. Oder aber es ist wie es ist, aber selbst dann muss man für Deutschland entsprechende Todesfälle prophezeien: einfach gemäß der Bergamo-Simulations-Fallzahlen ablesen und halbieren, solange hier noch alle schweren Fälle behandelt werden können. Rosige Aussichten sind das aber nicht - für niemanden
Man kann an dieser Modell-Statistik ablesen, was auf Covid-19 Hotspots wie New York, Paris, New Orleans oder Spanien, dem Elsass oder möglicherweise Schweden noch zukommen wird, wenn nicht ganz drastische Maßnahmen ergriffen werden, indem man nicht auf die falschen "Fallzahlen" schaut, sondern aus den Todesziffern hochrechnet und die Simulation fragt, was das für die Zukunft bedeutet.
Für eine (erzwungene) schnelle Herdenimmunität (~60%) ohne Lockdown müssten und würden sich die obigen Infektionszahlen verdoppeln, die Überlastung der Krankenhäuser wäre noch katastrophaler und die Todesfallzahlen würden sich noch weit mehr als verdoppeln. Zur Politik des Lockdown, das zeigt die Statistik, gibt es offenbar keine Alternative.
An den farbig unterlegten, nicht umrandeten Feldern kann "gespielt" werden, um die Simulation an andere Szenarien anzupassen.
PS: Ein guter Freund und Kollege hat einerseit die perfekte Gauss-Kurve gelobt (die ich unbewusst mit einfachsten Mitteln erzeugt habe), aber völlig zu Recht kritisiert, daß meine Infektionsrate R° niemals unter 1 absinkt. Das ist so und ein Fehler, der aber in diesem einfachen Modell schwer zu korrigieren ist. Trotzdem zeigt die Simulation einen plausiblen Verlauf, der gegen Null Neuansteckungen tendiert. Ich lasse das also so und lebe mit dieser Kritik und auch damit, daß ich höhere Mathematik nur mehr als unvollkommen behrrsche ;-) Dafür scheinen, so die Rückmeldungen, die Menschen meine Statistik immerhin gut zu verstehen…
Bleiben Sie alle gesund, LB
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An Belgien, Niederlande, Schweden (im Vergleich zu DK und NOR) und auch dem UK sieht man, was eine Laissez-Faire-Politk bewirkt: starkes Anschwellen der Todesrate. Armin Laschet hat sich gegen Grenzschliessungen ausgesprochen und sich damit auch gegen Seehofer "durchgesetzt" (Presse am 6.4.). Gegenüber Deutschland hat Belgien 7 x höhere Todesraten pro 1 Mio EW, die Niederlande 5 x höhere, gegenüber NRW waren diese Zahlen am 6. April 2020 sogar 8,4-fach (B) bzw. 6,4-fach höher! In dieser Situation für den "kleinen Grenzverkehr" mit Belgien und den Niederlanden zu plädieren, obwohl diese Nachbarländer notwendigerweise auch vielfach höhere Infektionszahlen aufweisen müssen, bedeutet bewußt Infektionen zu importieren und damit weitere nicht notwendige Todesfälle zu provozieren.
(Anm.: die gelbe Linie in der 2. Grafik repräsentiert 1 pro 1Mio und Tag, annähernd linear wäre z.B. die "normale" Rate von 30 Sterbefällen am Tag pro 1 Mio EW, in der Realität schwankt diese Rate wg unterschiedlicher Winter/Sommer-Sterblichkeit, Grippe- oder Hitzewellen etc.)
In Frankreich hatte eine evangelikale Gebetswoche in Mulhouse mit 2.000 Teilnehmern Ende Februar die Katastrophe ausgelöst, von der hauptsächlich das Elsass betroffen war, wo bei ca. 5,5 Mio Einwohnern fast ebenso viele Menschen dem Sars-CoV-2-Virus erlagen, wie in Deutschland mit seine 82 Mio Einwohnern. Ähnlich gelagert die Fälle in Italien mit dem Fussballspiel zwischen Valencia und Bergamo im Stadion in Mailand am 19. Februar sowie Fussballspielen in der spanischen Hauptstadt Madrid.
Von Belgien, NL, UK und Schweden sind keine ähnlichen Vorkommnisse bekannt, hier waren es vor allem die zu spät eingeleiteten Vorsorgemaßnahmen, die die Zahlen explodieren liessen.
Datenquelle: Berliner Morgenpost