Antwort auf AKS-Rundbrief


Dem Menschen einen Glauben schenken,
heißt seine Kraft verzehnfachen.  (Le Bon)

Liebe Frau Rehme,

danke für Ihren Beitrag zur Anonymous-eMail, den mir Manfred Queisser, wie Sie ein Aktivposten in der Branche, freundlicherweise zugefaxt hat.

Ihre Frage an mich will ich als erstes beantworten: Ich wollte anonym bleiben (für alle, die mich nicht ohnehin gleich erkennen), weil ich vermeiden wollte, daß es heisst: LB, der Gesellschafter von, der dies und der jenes etc.pp. Die öffentliche Schlacht um Uli Hoeness, der das richtige getan hat (in falscher Form, aber er wußte sich wohl nicht mehr anders zu helfen, nachdem er intern alle Kommunikationskanäle ausgeschöpft hatte), was dann zu anonymen Anzeigen gegen eine Lebensmittelfabrik, an der er beteiligt ist, geführt hat, hat mich bewegt, diesen Weg zu gehen. Ich habe mich damit angreifbar gemacht, oder besser gesagt den Text. Ich persönlich wollte durchaus an - und, falls ich Fehler gemacht haben sollte - auch greifbar sein, deshalb war der Text auch nicht so sehr verschleiert. Aber deshalb sollten meine Geschäftspartner und Kollegen nicht darunter leiden. Bei einer nichtanonymen Veröffentlichung - das war meine Befürchtung - hätte sofort die Zuordnung stattgefunden. So habe ich zunächst mal das Feuer auf mich, den 'bösen' Anonymus, gezogen. Das war durchaus meine Absicht, denn jetzt habe ich die Gelegenheit, dies auch wirklich klar zu stellen.

Der Text selbst ist eine persönliche Bestandsaufnahme, ein Warnruf. "Links müßt Ihr steuern", hallt ein Schrei.... Sie wissen schon, 15 Minuten bis Buffalo (nein, ich will mich überhaupt nicht mit einem Lotsen vergleichen, es fiel mir nur ein). Und ich hoffe, wir haben noch 15 Minuten, bildlich gesprochen. Der Vorstoß von LIBRO war doch nur ein Warnschuß (ich persönlich hatte eine solchen Angriff eher aus Belgien erwartet...)!

Ich leide emotional - wie Sie auch und viele mit Ihnen - seit Monaten unter den Fehlentwicklungen, die das Flagschiff der Branche, den Börsenverein betreffen. Sie erinnern sich noch an die erregten Diskussion um den Friedenspreis 1995? Da ungefähr hat es angefangen...

In den vielen Gesprächen, die sich im letzten Jahr ergeben haben, ist mir deutlich geworden, wie fragil die Situation derzeit ist. Der Grund war mir lange nicht klar, und ich habe den Text zunächst einfach heruntergeschrieben, so wie es kam. Erst nach mehreren Überarbeitungen ist mir das Strukturdilemma (Verlagslastigkeit) überhaupt klar geworden, und man sieht es dem Text auch durchaus an: erwecke ich am Anfang den Eindruck, auch die Verlage hätten keinen oder zuwenig Vorteile vom BÖV, ändert sich die Sichtweise gegen Ende des Textes: Nun ist nicht mehr die Rede von nicht existenten Vorteilen, sondern von der Frage, warum in den Gremien so wenig *buchhändlerisch* entschieden wird. Die Antwort: Zu wenig Verkaufsfronterfahrung dortselbst. Grund dafür: Die strukturell verursachte Unmöglichkeit der Buchhändler, entsprechende Gremien und Positionen zu besezten. Ist nicht die Existenz des AKS, der ja kein offizielle Gremium des BÖV ist, ein schlagender Beweis genau dafür? Und müßte nicht der Verein längst dafür gesorgt haben, daß trotz dieser Schwierigkeiten entsprechende gegengesteuert wird?

Meine Befürchtung: Wenn nicht jede Gruppe ihre Interessen selbst in die Hand nimmt (und das per Struktur dann auch muss), werden immer jene Gruppen leiden, die strukturell benachteiligt sind. Das werden, des Tagesgeschäftes wegen, immer die kleinen und mittleren Buchhändler sein.  Mit den daraus resultierenden Fehlentwicklungen aber leidet die ganze Branche. Und zu der gehöre ich auch, und deshalb dürfen Sie mir an dieser Stelle auch einen gesunden Eigennutz unterstellen.

Ich hoffe, ich konnte meinen Standpuntk deutlich machen. Ich wünsche nichts mehr, als daß eine Diskusion in Gang kommt, an deren Ende eine lebensfähige Buchhandelsstruktur steht, die *auch* einen ev. Fall der Preisbindung übersteht, *ohne* dabei kulturell zu verarmen.

Herzlichst Ihr

Lorenz Borsche

P.S.: Bitte verwenden Sie diese Mail nach Ihrem Gutdünken und leiten Sie weiter, wohin auch immer Sie es für richtig befinden, zunächst mal geht Sie nur an Sie. Auch gegen eine Veröffentlichung dieser Mail haben ich keine Einwände.