Vitamin D — Antwort auf Telepolis-Kommentare

Telepolis: Vitamin D — Antwort auf Telepolis-Kommentare

Dies ist eine auch bei Telepolis veröffentlichte Antwort zu den Telepolis-Kommentaren, die zu meinem Telepolis-Artikel Schützt Vitamin D vor Covid-19? anfielen.


Liebe Kommentatoren,

zunächst mal ein Dankeschön für die vielen konstruktiven und auch kritischen Kommentare, sie einzeln zu beantworten ist quasi unmöglich, daher dieser General-Kommentar (danke an FR).

Als erstes möchte ich klarstellen, daß ich Mathematik und Physik studiert, aber nicht abgeschlossen habe, ich war zu der Zeit mehr mit Anti-AKW-“Forschung“ beschäftigt (Artikel im Spiegel: „Tüftler im Grünen“, so ca. 1978/79). Auch die Soziologie habe ich nicht abgeschlossen, die IT hat gerufen, und zwar deutlich lauter als eine akademische Karriere, die es damals für Soziologen sowieso nicht gab. Kann man alles nachlesen auf T1p.de/LBLL. Der Soziologie allerdings verdanke ich meine gründlichen Kenntnisse in Sachen Statistik. Und ich möchte daher diesem Kommentar aus vollstem Herzen zustimmen:

Es klingt zwar etwas gemein, aber man traue keiner medizinischen Studie, bei der die Mediziner die Statistik und deren Auswertung selbst gemacht haben. Mediziner lernen im Studium keine Statistik, die meisten können das nicht, glauben aber, das zu können. Das sollten sie lieber einem Statistiker überlassen. Statistiker wissen zwar auch, was ein Skalpell ist, operieren deswegen aber nicht.

Als Techniker habe ich zur Finanzierung meines Studiums auf medizinischen Fachkongressen die Ü-Technik (Mikrofone, Aufzeichnung etc.) geleitet – und dabei so viele unsägliche „Statistiken“ mit anhören und ansehen müssen, dass ich den Glauben verloren habe (es ging damals um Calciumantagonisten, der Hype in den späten 70igern, heute würde es eher um Statine gehen, und die Statistiken dazu sind erst recht grausam).

In der Soziologie nimmt man keine Fallstudien mit weniger als 2.000 repräsentativ ausgewählten Befragten an – die Fehlerquote würde zu hoch. Nichtsdestotrotz: es gibt auch solide medizinische Studien, durchaus. Wenn allerdings schon die Fragestellung falsch ist, oder die Supplementation murksig, was soll dann noch dabei herauskommen ausser, daß es nicht funktioniert? Wie in diversen Osteoporose Studien, eine hatte ich ja erwähnt. Im Jahr 2013 die Patienten mit 10.000 I.E. pro Tag zu füttern, OHNE K2 zu supplementieren, ist wahrlich keine Großtat. Dementsprechend waren die Ergebnisse: von 400 über 4.000 zu 10.000 IU: Verschlechterung der Osteoporose, Verschärfung des Bruchgeschehens. Das kann niemanden wundern, der sich mit der Wechselwirkung von D und K2 auskennt – und das sollten D-Forscher, wenn der Zusammenhang schon seit 1985 bekannt ist, oder nicht? Stand der Technik nennt man das überall sonstwo. Nicht beim Mediziner.

Schönes Nebenergebnis: Bolus-Dosen sind schlecht, Monats- schlechter als Wochendosen, diese schlechter als Tagesdosen. Aber Mediziner geben immer noch gerne Bolusdosen... das kann man spritzen, die Compliance der Patientinnen ist 100%, und eine Spritze kostet ja auch mehr als ein Rezept, oder? Nur kann man leider keine Monatsdosen K2 reinpacken, zu blöd aber auch... ;-)

Da wir gerade dabei sind: Völlig richtig auf Magnesium, Calcium und Zink hinzuweisen, danke dafür. Auf meiner respektiven Corona-Page (T1p.de/LBCV) tue ich das auch ausführlich. Vielleicht hätte ich es wenigstens erwähnen sollen, aber der Artikel war eh schon lang. Danke an die Kommentatoren, das aufgegriffen zu haben.

Und ich dachte, ich hätte sehr klar darauf hingewiesen, daß ich um den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität sehr gut weiß. Allerdings würde jeder Soziologe, der von a) einem landesweiten (=80 Mio) Jodmangel hört und gleichzeitig die Zahl von 80.000 Schilddrüsen-OPs per annum erfährt, ganz nach Popper mal ein Hypothese aufstellen, um sie zu überprüfen: ist das nur Zufall, oder haben wir da einen kausalen Zusammenhang? Denn wenn in der Lebenszeit eines Menschen insgesamt 6.6 Millionen Schilddrüsen eines 82 Mio Volkes operiert werden müssen (also nicht jeder 10., sorry, Schreibfehler, sondern ca. jeder 12,5te (8%), sollte man sich diese Frage unbedingt stellen. Warum? Die Quote ist einfach sehr hoch, zu hoch, um nicht auffällig zu sein.

Und das könnte man ja mal testen. Tut man aber nicht. Jeder darf für sich selbst entscheiden, warum – daran, daß die Frage idiotisch wäre, liegt es ganz sicher nicht. Wenn ich also rein rethorisch frage: „Kein Zusammenhang?“ dann nur, um auf eine offene Frage hinzuweisen, nicht um zu insinuieren, daß ich die Antwort schon kenne. Nur mal so als Gegenbeispiel: In Kiel wird derzeit ein Studie aufgesetzt, die den Zusammenhang zwischen Vitamin B3 (Niacin) und Covid-19 untersuchen soll. Nicht daß ich dem B3 seine Berechtigung absprechen will, aber meine allererste Wahl wäre das nicht.

Der Sonnenstand, Belgien, Madrid und Schweden

Ein Kommentator hatte völlig richtig darauf hingewiesen, daß zwischen Oktober und Anfang März in unseren Breiten die Synthese von Vitamin D über die Haut praktisch völlig zum Erliegen kommt. Wer eine Solaranlage sein eigen nennt, weiß, warum ;-) Luftverschmutzung verschärft das Problem. Aber: es erscheint mir sowieso nicht sinnvoll, die geographische Breite (also auch den Sonnenstand) und damit die mögliche endogene D-Erzeugung als Alleinerklärungsmerkmal untersuchen zu wollen, zu sehr ist die D-Erzeugung auch von sozialen Verhaltensweisen geprägt.

Wenn ich mich an meine Italien und Spanien Urlaube erinnere, dann sehe ich nachmittags um 16 Uhr die Alten an den Strand kommen, teils in Schwarz und mit Kopftuch. 16 Uhr? Da ist das UVB schon fast nicht mehr vorhanden. Und das im Sommer. In Madrid ist Siesta über Mittag. In der Lombardei, Wuhan und auch Madrid gibt es erhebliche Luftverschmutzung – UVB dringt da nicht mehr richtig durch. All das ist aber nicht die Erklärung.

Sehr viel wahrscheinlicher für die schlechten Zahlen in Spanien, Frankreich, und Italien waren Großveranstaltungen: der Weltfrauentag in Madrid mit 120.000 Teinehmerinnen am 15.3., das Fußballspiel Bergamo-Valencia in Mailand am 21.2.(?), zu dem angeblich 40.000 Bergamasken in Zügen gefahren sind, die evangelikale Bet- und Singwoche(!) mit 2.000 Teilnehmern aus ganz Frankreich in Mulhouse. Da nehmen sich der Heinsberger Fasching mit 300 Teilnehmern und das Starkbierfest in Tirschenreuth doch geradezu harmlos aus?

Unbedingt einrechnen sollte man auch die Bevölkerungsdichte, also Madrid / New York / Belgien (das ganze Land fast eine einzige Stadt), aus Sicht der Epidemiologen ein Terrain wie geschaffen für eine exponentielle Ausbreitung, die dann entsprechend hohe Todesraten in kurzer Zeit erzeugt.

Und was ist zu Schweden zu sagen? Die waren mal gleichauf mit Norwegen: 3 Tote am 15.3.20 in beiden Ländern.,1.221 „Fälle“ in Norwegen, in Schweden nur 1.022. Schweden gestern am 16.04.2020, also einen Monat später: 12.540 Fälle, 1.333 Tote. Norwegen 6.848 Fälle, 152 Tote. Selbst wenn man berücksichtigt, das Norwegen nur 5,3, Schweden aber 9,9 Mio Einwohner hat, ergibt sich bei den Toten ein Mißverhältnis von 139 gegenüber 29 pro 1 Mio EW, die Schweden sind Faktor 4,7 mal schlechter. Weil in Norwegen mehr Sonne scheint? Und man wird fragen müssen, wieso die Fallzahlen pro 1 Mio EW mittlerweile fast identisch sind (N: 1280/ S: 1309), nicht aber die Toten? Testet Schweden zuwenig?

Schweden versus Belgien? Besiedelungsdichte und nochmals Besiedelungsdichte. Vitamin D? Ist in den Nordländern einfach deswegen nicht sooo schlecht, weil man dort viel fetten Fisch isst, schon die Babygläschen zeigen das (die meistverkauften in Schweden sind: Fischbrei). Die indigenen Nordlandvölker (Inuit, Yuppik etc.) hätten ohne den Fischtran vermutlich schwerste Rachitis und andere Mangelerscheinungen erleiden müssen.

Aber nochmals sei gesagt: solange wir nicht die D-Level vieler, sehr vieler einzelner Corona-Infizierten gemessen und mit ihrer Symptomatik korreliert haben, sind alle Aussagen über geographische Breite, Jahreszeit, Sonnenstand, Luftverschmutzung etc. reine Vermutung und nicht geeignet, vorab irgendwelche Todeszahlen damit zu korrelieren.

Und natürlich kenne ich anekdotische Beispiele, die eine Vermutung, daß man mit besserem D-Level die Infektion besser übersteht, unterstützen. Wenn zwei ungefähr gleichalte Patientinnen (50 +/- 3) eine schwere Infektion erleiden, aber die eine 5 Tage beatmet werden muss, die andere aber, mit flotten 60+ ng/ml D(25) keine Lungenentzündung bekommt, dann kratzt man sich natürlich am Kopf. Solange ich aber nicht wenigstens 200 Betroffene, die man vorerkrankungs- und altersmäßig vergleichen kann, in Symptomatik und D-Level einigermaßen ordentlich korrelieren kann, mit vielleicht 70-80% „Erklärungspotential“, kann ich nur Fragen stellen bzw. Geld anbieten, damit solche Tests gemacht werden. Und ich meine, die Eingangsfrage des Artikels drängt sich, unter Berücksichtigung der dargelegten Fakten, wie die Grafiken des BfR zu den Seniorinnen und ihrem D-Level, einfach auf. Wenn es so leicht wäre, sie zu beantworten, warum tun wir es nicht einfach?

Beste Grüße – und meine stille Hoffnung ist, daß dieses Thema die Runde macht und irgendwer dann doch mal den D-Test für Infizierte obligatorisch erklärt. Wenn wir nichts messen können, hat es ein wenig Geld gekostet, aber sonst nicht geschadet. Was aber wenn die Vermutung richtig wäre? Der Gewinn wäre unermesslich. Wer misst, kann „verlieren“, wer nicht misst, hat schon „verloren“.

Beste Grüße, Lorenz Borsche