Vergleich der Bundesländer: PISA und SF
Vorläufige Ergebnisse!
Zusammenfassung: Obwohl die zur Errechnung des SF (Migrantensozialfaktor) notwendigen Zahlen in den bisherigen Veröffentlichungen fehlen, konnten diese aus vorhandenen Teildaten rekonstruiert werden. Ohne die neuen Bundesländer, die durch einen stark abweichenden ISEI und geringe Migrantenanteile auffallen, ergibt sich eine Abhängigkeit des PISA-Wertes vom SF von knapp über 40%. Ausreisser hier sind das kleine Saarland und das ebenfalls nicht so große Schleswig-Holstein, die mit einem ungewöhnlich hohen Inländer-ISEI auffallen, der nicht zu ihrer Stellung am unteren Ende der Skala beim Bruttoinlandsprodukt/Einwohner zu passen scheint. Ohne S-H springt der Wert auf 69%, ohne beide Problemkandidaten ergibt sich für die anderen BL eine Abhängigkeit des PISA-Ergebnisses sogar von 87% vom Sozioökonomischen Korrekturfaktor, ähnlich wie international der Zusammenhang ohne den Ausreisser Griechenland. Korrigiert man den ISEI der Ausreisser anhand der Tabelle des Bruttoinlandsproduktes auf Erwartungswerte, wie sie auch die jeweiligen Nachbarländer Rh-Pfalz und Niedersachsen mit ähnlichen BIP-Werten haben, erreicht R square 73%: Die unterschiedliche Sozialstruktur der (alten) Bundesländer einschliesslich ihrer Migranten erklärt die unterschiedlichen PISA-Werte zu knapp 3/4, für andere Faktoren, wie Schulsystem und Curricula bleibt nur eine geringe Erklärungsmacht über.
Datenlage
Obwohl angekündigt, war zumindest öffentlich (auf dem Site der OECD wie auch beim MPI) heute morgen (8.7.2002) keine neue Veröffentlichung hinsichtlich der PISA zugrunde liegenden Zahlen zu finden. Nachdem aber die Fragen an mich bzgl. der Relevanz des Immigrantenfaktors auch für den innerdeutschen Vergleich immer drängender wurden, habe ich ich die verfügbaren Quellen nochmals en detail analysiert und eine Möglichkeit gefunden, aus der Kombination verschiedener Tabellen innerdeutsche Vergleichszahlen zu generieren, die dann eine Konstruktion des SF analog zum internationalen Vergleich erlauben. In den Tabellen von PISA-E fehlen die Angaben zum ISEI der Inländer, wie auch die zum ISEI der Familien mit Migrantionsgeschichte, wie sie in der deutschen Fassung der internationalen Studie enthalten sind.
Zur Rekonstruktion des Migranten-Gesamt-ISEI und des Inländer-ISEI je
Bundesland wurden verwendet:
Mit den o.a. Angaben aus sowohl Buch wie PDF-Datei konnten die notwendigen Zahlen errechnet werden. Dazu mussten die Anteile der Migranten in den Bundesländern mit dem ihnen zuordenbaren ISEI verrechnet und zu einem Gesamt-ISEI der Migranten je Bundesland addiert werden. Aus diesem und dem resp. Migrantenanteil konnte unter Zuhilfenahme des Gesamt-ISEI dann der Inländer-ISEI des Bundeslandes ermittelt werden. Aus beiden Faktoren wurden wiederum 3 linear und zwei non-linear zusammengesetzte Korrekturfaktoren ermittelt, und diese anschliessend mit dem PISA-Wert korreliert.
Die entsprechenden Daten:
Land PISA IsIn AntMi IsMi SFM SFI SF31 SF21 SF11 SFQ11 SFQ21 EHTD FakB BaWü 500 46.6 28.8 39.5 175 -75 450 275 100 4.4 10.0 104 15 Bayern 510 45.6 22.4 40.0 125 -4 371 246 121 4.4 8.9 121 17 Bremen 448 44.1 40.7 38.0 306 86 1004 698 392 10.4 19.1 7 1 Hessen, 476 45.9 32.7 39.2 208 -24 600 392 184 6.0 12.3 61 9 NiederS, 474 43.8 20.1 38.7 137 140 551 414 277 7.7 13.2 79 11 NRW 482 45.3 32.2 38.6 223 17 686 463 240 7.3 14.3 180 26 Rh-Pf 485 43.5 25.3 39.1 164 153 645 481 317 8.4 14.1 40 6 Saarl 484 45.6 19.6 39.8 113 -4 335 222 109 4.3 8.6 11 2 Schl-Hol 478 46.1 14.4 40.6 72 -47 169 97 25 2.4 5.6 28 4 ~Branden 459 41.5 5.0 40.3 26 385 463 437 411 8.3 10.3 26 4 ~MeckPom 467 40.0 3.9 40.7 19 533 590 571 552 10.8 12.4 18 3 ~SachsAn 455 40.0 3.5 41.2 15 536 581 566 551 10.5 11.8 26 4 ~Sachsen 491 41.7 5.5 40.4 28 364 448 420 392 8.0 10.0 45 6 ~Thü, 482 40.8 2.9 41.3 12 461 497 485 473 8.8 10.0 24 3 Dabei bedeuten beispielhaft: SFQ21: Power/Sqrt, SFM/SFI = 2:1
SF31 : Linear, SFM/SFI = 3:1
Was sofort auffällt, ist die Tatsache, daß die neuen Bundesländer gegenüber den alten BL einerseits sehr geringe Migrantenanteile haben, andererseits der ISEI der Inländer durchgängig um ca. 4 Punkte niedriger ausfällt und der ISEI der Migraten kaum wesentlich von dem der Inländer abweicht. Da sich überdies die Unterschiedlichkeit der Historie auch nicht unwesentlich in den Lehrplänen, ja im ganzen Schulsystem niedergeschlagen hat (in der deutschen Erhebung schneiden die NBL laut PISA-E in den nationalen Zusatzfragen erheblich besser ab, als in den international gestellten Fragen), erscheint es gerechtfertigt, die NBL nicht in den nationalen Vergleich einzubeziehen.
Mit den alten Bundesländern erhält man beim Vergleich PISA / SF zunächst Werte für R sq um 0.4, d.h. 40% der Varianz würden vom Migrantenanteil und dessen Sozialstruktur aufgeklärt. Das mag für PISA-Verhältnisse schon ein starker Zusammenhang sein, erscheint mir aber als schwach. Dieser niedrige Wert wird nun maßgeblich von zwei Ländern verursacht, die auch in anderer Hinsicht auffällig sind: Saarland und Schleswig-Holstein. Beide Länder haben eher - für Deutschland - durchschnittliche PISA-Werte (484/478), aber deutlich weniger Immigranten als die anderen ABL, diese aber wiederum mit relativ hohen ISEI-Werten. Und sie haben gleichzeitig einen hohen ISEI-Inländer-Wert, der mit besseren PISA-Werten einhergehen sollte, es hier aber nicht tut. Dieser hohe Inländer-ISEI erscheint in beiden Fällen fragwürdig, gilt doch das Saarland traditionell als das Armenhaus unter den alten Bundesländern und S-H steht diesbezüglich auch nicht viel besser da. Das verdeutlichen auch die Bruttoinlandsprodukte je Einwohner, wo beide Länder am unteren Ende des Rankings liegen:
Während aber z.B. Rheinland-Pfalz mit einem vergleichbar niedrigen BIP nur einen Inländer-ISEI von 43,5 aufweist, haben Saarland und S-H mit 45,6 und 46,1 einen ISEI am oberen Ende der Skala. Und der 'passt' weder zum BIP, noch zum allgemeinen Informationsstand über diese Länder, noch zum PISA-Wert. Die Zweifel an diesem ISEI-Wert haben also durchaus Substanz.
Entfernt man nur das S-H aus der Tabelle, dann springt R square gleich auf bis zu 70%, sowohl bei Verwendung der linearen, wie auch der non-linearen SF, läßt man auch das Saarland unberücksichtigt, dann steigt R sq auf über 87% an:
Fitted equation : X1 = 555.5 - 0.5584 * X2 Std. error of slope : 0.0958 R-squared : 0.8718
Der Ausschluss betrifft darüberhinaus 'kleine', d.h. bevölkerungsschwache Länder (siehe Spalte EHTD: Einwohner in Hunderttausend). Ein Vergleich, der das unterschiedliche Gewicht der Bundesländer bei der Relevanz des SF berücksichtigt, wäre wünschenswert - das gilt auch für den internationalen Vergleich.
Anstatt die beiden Ausreisser auszuschliessen, kann man auch versuchsweise den Inländer ISEI gemäß Brutto-Inlandsprodukt-Tabelle anzupassen. Hier fallen Saarland und Schleswig-Holstein in die Gruppe der Länder mit ca. 22.500 DM/E, so wie Rh-Pfalz und Niedersachsen - übrigens ihre respektiven Nachbarn. Legt man deren ISEI auch für das Saarland und S-H zugrunde, dann erreicht R square einen Wert zwischen 0.64 und 0.73, so wie das international ähnlich war, ohne S-H erreicht Rsq sogar 0.85:
Werte PISA SF31 SF21 SF11 SFQ11 SFQ21
X1 X2 X3 X4 X5 X6 R square / 0.64 0.73 0.68 0.71 0.63 Rsq S-H / 0.82 0.85 0.70 0.70 0.85
Und der passende Graph dazu:
Und hier nochmal der Vollständigkeit halber die unkorrigierten Werte für die alten Bundesländer insgesamt / und ohne Schleswig-Holstein:
Werte PISA SF31 SF21 SF11 SFQ11 SFQ21
X1 X2 X3 X4 X5 X6 R square / 0.40 0.40 0.38 0.39 0.40 Rsq oS-H / 0.69 0.70 0.62 0.67 0.71