Frankfurter Nebel
Thema: Börsenverein


FRANKFURTER NEBEL

Die Misswirtschaft des Börsenvereins sollen die Mitglieder bezahlen - ohne dass man ihnen wesentliche FRAGEN beantwortet.

"Der Börsenverein hat Schulden" schrieb ein zunächst anonymer 'Kiebitz' letzten Herbst. Das war nur die halbe Wahrheit, aber immerhin schon eine kleine Bombe - denn zu diesem Zeitpunkt war die jahrelange finanzielle Misswirtschaft nur einer Handvoll Eingeweihter bekannt. Die ganze Wahrheit ist schlimmer: Der Börsenverein ist nahezu pleite. Und das nicht erst seit gestern.

In Frankfurt hat man lange gebraucht, um für die Mitglieder eine glaubhafte Sprachregelung zu finden. Man möchte die Diskussion auf zwei Hauptpunkte konzentrieren, die man für wenig angreifbar hält. Erstens soll das Haus des Buches in Leipzig die Schieflage wesentlich mitverursacht haben, und dieses Projekt war schließlich gutgemeint, ein "bedeutendes historisches Zeichen von Börsenverein Ost und West". Natürlich ist das alles erst jetzt passiert, gestern sozusagen. Dabei war schon lange klar, dass die projizierten Mieteinnahmen nicht würden erzielt werden können. Was ist da gelaufen? Hat geschicktes Jonglieren mit Beteiligungen, Steuern und anderen Zahlen diesen Umstand jahrelang erfolgreich verschleiert? Wer hat eine frühzeitige Kurskorrektur verhindert - und aus welchen Motiven? Die Geschäftsführung, heißt es hier wie in anderen Fällen, habe den Vorstand nicht immer ausreichend informiert. Hatte der Vorstand keine Chance, die operative Führung zu kontrollieren? Oder fehlte nur Teilen des Vorstands diese Möglichkeit? Und hat die Abgeordnetenversammlung etwa zu blauäugig den Vorstand Jahr um Jahr entlastet?. Als zweiter Hauptverursacher wird der Kampf um die Preisbindung angeführt, der viereinhalb Millionen gekostet habe.

Der Erhalt der Preisbindung liegt den meisten Mitgliedern am geschäftlichen Herzen und ist ihnen deshalb zweifellos angemessene Investitionen ihres Verbandes wert. Die viereinhalb Millionen wurden allerdings im Lauf von acht (!) Jahren investiert, nicht etwa nur nicht in den beiden heißen Jahren des Ringens mit der Wettbewerbs-Kommission der Europäischen Union. Im Vorjahr haben die in Richtung Brüssel aktiven Rechtsanwälte des Börsenvereins 700.000 Mark gekostet. Mit dem Ergebnis überdies, dass der Verband heute eine gesetzliche Regelung der Preisbindung anstrebt, die er noch im Vorjahr für überflüssig hielt, während der Österreichische Hauptverband sie schon damals erreichte - ohne einen Millionenaufwand. Wenn aber die Anwälte "nur" 700.000 Mark gekostet haben: Wo wurden die übrigen 3,8 Millionen ausgegeben? Und wenn diese Millionen im Laufe von immerhin acht Jahren in den Kampf um die Preisbindung investiert wurden: Wieso argumentiert die Verbandsspitze zur Begründung der aktuellen, also der heutigen Finanzierungslücke mit dem Hinweis auf einen "Millionenaufwand" für die Preisbindung? Und: Wie hoch war der tatsächliche Aufwand in den beiden jüngsten Geschäftsjahren? Rechnet auch teure Berliner Vertretung des Börsenverein zum Kampf um die Preisbindung? Allein die Inneneinrichtung soll 750.000 DM gekostet haben. Repräsentation muss sein, man ist schließlich wer. Nur: Wem dient diese aus Sicht vieler Mitglieder krass überzogene Investition? Fällt es etwa leichter, in einem richtig noblen Lobby-Büro in teuerster Berliner Lage politische Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass hier nicht ein Berufsstand um fette Pfründe kämpft, sondern eine Vielzahl mittelständischer Buchhandlungen und Verlage um die eigene Existenz? Sollten die Verbands-Lobbyisten den Politikern nicht lieber die Buchhändlerschule in Seckbach zeigen? Dort fehlen schon seit Jahren die Mittel, um wenigstens einen baurechtlich unbedenklichen Zustand zu sichern. Das Gebäude ist so marode, dass es einer TÜV-Prüfung wahrscheinlich nicht mehr standhalten würde. Wieso eigentlich hat man hier einen Reparaturstau auflaufen lassen, dessen Behebung Millionen kosten würde, über die der Verband heute nun wirklich nicht mehr verfügt? Zurück zu den viereinhalb Millionen für die Preisbindung: Die Landesverbände haben nach eigenem Bekunden die Hälfte der Preisbindungs-Kosten selber getragen. Wurden also insgesamt neun Millionen ausgegeben oder hat der Börsenverein gar nicht 4,5 Millionen, sondern nur die Hälfte davon bezahlt und die wiederum im Lauf von acht langen Jahren?

Hinter den Kulissen werden als die großen Sündenböcke für die extreme Finanzmisere der frühere Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins und der frühere Geschäftsführer der Buchhändler-Vereinigung benannt, der im Hintergrund auch die Vereinsfinanzen gelenkt habe. (Beiden sollen Gehälter und Pensionen zugestanden worden sein, dass dem gemeinen Fußvolk die Augen tränen würden - wenn es davon wüsste.) Nur, wenn man diesen Geschäftsführern die Schuld an der Misere anlastet: Welche Rolle haben der amtierende Vereinsvorstand und seine Vorgänger gespielt? Und welche Rolle die Abgeordnetenversammlung, die bei angeblich nur einer Enthaltung den Jahresabschluss 2000 mit einem Fehlbetrag von 4,5 Millionen genehmigt und den Vorstand entlastet hat? Für die Börsenvereinsmitglieder, kleine und große Sortimenter, Zwischenbuchhändler und Verlage, bedeutet das alles ganz konkret: Wenn sie der Sonderumlage von zehn Prozent zustimmen, müssen sie den Schlamassel bezahlen. Und wenn sie ablehnen: Wird der Verein so lange Mitgliederversammlungen einberufen, bis keiner mehr kommt und die Sonderumlage durchgedrückt werden kann? Oder wird der Verband handlungsunfähig? Wird er, siehe nachfolgendes Interview, zum Sanierungsfall?

Sind Sie jetzt ratlos? Ein Blick auf die Finanzen der Buchhändlervereinigung wird Sie kaum trösten. Den auch hier wurde in letzter Zeit reichlich Geld verbrannt. Vielleicht stellen Sie ja die richtigen Fragen in Würzburg, in der Hauptversammlung. Und lassen sich nicht abspeisen mit dem Hinweis, Sie hätten ja in früheren Hauptversammlungen den heute inkriminierten Projekten selber zugestimmt. Oder hat man Ihnen seinerzeit beispielsweise in Sachen Haus des Buches offen gesagt, hier handle es sich um eine riskante Mietspekulation? Oder hat man Sie gefragt, wie viel Geld Sie für die Berliner Vertretung locker machen möchten? Oder, oder ...

 

...ein Artikel von Jo Volks.

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