Antwort auf die Widerlegung

Honni soit, qui mal y pense...

Der Verein hat ganz offenbar ein Problem: Sagte gestern noch der Geschäftsführer, es gäbe wohl diskussionswürdige Punkte in der Email des Kiebitz (siehe Buchmarkt-Online-Meldung), klingt die Erwiderung, die man heute auf dem Site des Vereins lesen kann, wieder ganz anders: Als erstes versucht man den Bösewicht, der sich getraut hat, die Ruhe des Vereins zu stören, als Fälscher zu brandmarken. Pech für den Verein: der Vorwurf ist selbst eine durch nichts belegte falsche Behauptung (s.u.), zeigt aber eindrucksvoll, daß man in Frankfurt das Papier nur schnell überflogen, aber überhaupt nicht verstanden hat. Nicht verstehen wollte?

Kernpunkt der Kritik des Kiebitz ist, daß aus strukturellen Gründen die Verlagsinteressen beim Verein besser aufgehoben sind als die der Buchhändler. Eins der angeführten Beispiele: Ein Mitglied des Sortimenterausschusses (also der Buchhändlervertretung) erhebt die Forderung, das VLB müsse noch teurer werden, obwohl die Buchhändler ohnehin schon überteuerte Gebühren zahlen. "Da kann man als Buchhändler doch nur in die Tischkante beissen" formulierte der Kiebitz - woraus der Verein messerscharf schliesst, der Kiebitz geriere sich als Buchhändler. Tut er aber nicht. Der Kiebitz verwendet klassische rethorische Stilmittel - und das sollte in *dieser* Branche eigentlich erlaubt sein. Darüberhinaus ist die Annahme, ein normaler Buchhändler könne über all die angeführten Interna so gut informiert sein, doch recht gewagt.

Und jetzt wollen wir mal die gröbsten Fehler bereinigen (">" sind Zitat aus der "Widerlegung des Börsenvereins"):

>Anonymus:
>Der Verband erbringt für die Verlage keine Leistungen.

Diese Zeile wird dem Kiebitz zu unrecht zugeschrieben, sie findet sich so nicht im Artikel. Ganz im Gegenteil wird im Verlauf des Artikel deutlich, daß der Verein eher Verlagslastig ist. Aber man kann ja so schön widerlegen, was gar nie behauptet wurde. Darüberhinaus ist der Vergleich des deutschen Börsenblattes mit 'Publishers Weekly' ja wohl eher als Kanevalsscherz gedacht, oder war das ernst gemeint?

>Anonymus:
>Das VLB wird dummerweise in Europa und nicht bei
>leistungsfähigeren Partnern in den USA produziert.
>
>Tatsache:
>Der sprunghaft gestiegene Dollarkurs bestätigt im
>Nachhinein eindrucksvoll die Richtigkeit dieser Maßnahme.

Dumm, dumm, wenn man den Kern einer Kritik so gar nicht versteht, von unkorrektem Zitieren ganz zu schweigen. Nochmal zum Mitlesen: Die Entscheidung, ein funktionierendes System durch ein absolut gleichartiges (=DOS-basierendes) neues System zu ersetzen, ist mit Währungsschwankungen nicht hinreichend zu begründen, die Kosten für das amerikanische CD-Recherchesystem sind marginal im Vergleich zu anderen Kosten. Tatsächlich aber hat dieser überflüssige Systemwechsel zu massivem Ärger bei den Buchhändlern geführt. Die zwei verlorenen Jahre und das viele Geld, das das neue System gekostet hat, hätte man besser nutzen können, um den Content zu verbessern.

>Anonymus:
>Und eine Windows-Version sollte es dann auch gleich noch
>geben, obwohl es dafür bereits das weit überlegene VLB Plus
>gab, das man nur hätte auf die (alte) Platte packen müssen.
>
>Tatsache:
>Das VLB bedient zwei große Kundengruppen: Einerseits den
>Sortimentsbuchhandel, andererseits die Bibliotheken. Für
>den Sortimentsbuchhandel ist das Produkt VLB Plus entwickelt
>worden; mit einer Bibliographieroberfläche, die es ermöglicht,
>mehrere externe Datenbanken zusätzlich zum VLB einzulesen. Die
>Bibliothekskunden fordern dagegen die Windows-Version.

Jeder Branchenfremde wird aufgrund des letzten Satzes messerscharf schliessen müssen, dass das VLB Plus kein Windows-Programm ist - warum sollten denn sonst die Bibliothekskunden "eine Windows-Version" fordern? Und? Richtig geraten, der Verein versucht Ihnen hier ein X für ein U vorzumachen. VLB Plus ist natürlich ein Windowsprogramm, noch dazu ein besonders elegantes: es läßt sich nahezu wie das alte DOS-VLB bedienen, darf aber auch mit der Maus benutzt werden. Und es kann neben dem VLB halt auch noch andere Bibliographien gleichzeitig abfragen. Als ob ein zusätzliches Feature ein Schaden wäre. In zwei Worten: Man hatte ein fertiges Windowsprogramm, das noch dazu mehr konnte, als die Bibliotheken benötigen. Man hat dazu ein weiteres Windowsprogramm entwickelt, das weniger kann. Alles klar?

>Anonymus:
>Man hat sich eine ruinöse Web-Politik geleistet.
>
>Tatsache:
>Die Buchhändlervereinigung hat sehr früh die Zeichen der Zeit
>erkannt und das Internet für ein Shop-System mit heute rund 600
>Teilnehmer-Buchhandlungen geöffnet. Das war wie überall sonst
>im Netz auch nicht gratis und lief nicht ohne Fehler ab.

Darum ging es gar nicht, und wieso der Börsenverein jetzt auf seinen "Buchhandel.de"-Auftritt kommt, ist nur erklärlich, wenn die angedeuteten Fehler offenbar noch auf der Seele brennen. Zum "Buchhandel.de"-Konzept könnte man natürlich einiges sagen, aber die *ruinöse* Web-Politik hat nur bedingt damit zu tun, wie der nächste Abschnitt zeigt:

>Anonymus:
>Der Verein hat den Wechsel an der Spitze der
>Buchhändlervereinigung verschwiegen.
>
>Tatsache:
>Völlig falsch. Mehrfache Berichterstattung im Börsenblatt [...]

Und wieder eine dem Kiebitz unterschobene falsche Behauptung, ging es doch nicht etwa um die Tatsache des Wechsels an sich, sondern um die auslösenden Begleitumstände. Hier im Wortlaut die entscheidende Passage:

"Und Sie wissen nicht, warum es einen Wechsel an der Spitze der Buchhändlervereinigung gibt? Stimmt, der Verein hat Ihnen, den Beitragszahlern (via VLB und Landesverband) dieses ja verschwiegen: Damit das Web-VLB auch bunte Bildchen zeigen kann, was ja nun wirklich Sache der Copyrightinhaber, also der Verlage gewesen wäre, hat man einen Megavertrag für viele Jahre abgeschlossen: jedes Cover sollte für ca. 20 DM gescannt werden. Nehmen Sie einen Taschenrechner und multiplizieren Sie nur die 60.000 Neuerscheinungen pro Jahr, dann können Sie sich vorstellen, dass die Firma mit dem Scanner glückstrahlend unterschrieben hat."

Na, wer verfälscht hier permanent? Der Kiebitz oder der Verein? Korrekt zitieren kann doch nicht so schwer sein?

>Anonymus:
>Der künftige Leiter der Buchhändlervereinigung ist
>nicht entscheidungsfroh.
>
>Tatsache:
>Frei erfundener Stammtischtratsch. Wäre es möglich,
>daß Anonymus sich geärgert hat, weil er selbst bei der
>Buchhändlervereinigung gerne eingestellt werden wollte?

Ach herrjeh. Naja, wer austeilt, muss wohl auch einstecken können... :-)

Erstens: die vom Kiebitz kommentierte (Nicht)Entscheidungsfreude des künftigen Geschäftsführers ist eine Lappalie gegenüber der Tatsache, daß er zwootens als juristischer Leiter des Magazins der Süddeutschen den dort betriebenen Borderlinejournalismus mit zu verantworten hat (auffälligerweise kein Wort dazu vom Verein), und vor allem drittens die wichtigste Frage unbeantwortet bleibt: Was macht ein Jurist mit dieser Erfahrung als Geschäftsführer der *Buchhändlervereinigung*, und wer hat diese typische Verlagspersonalie zu verantworten?

Und letztens: Offenbar ist doch nicht so recht klar, wer der Kiebitz ist, anders ist die Vermutung, er habe vom Verein eingestellt werden wollen, schwer zu erklären. Die wenigen, die es richtig geraten haben, wissen, daß der Kiebitz dafür gar keine Kapazität hätte - von der fehlenden Eignung für einen imaginären Angestelltenjob mal ganz abgesehen. Man könnte nun vermuten, der Name sei in irgendeinem Zusammenhang tatsächlich in Frankfurt diskutiert worden, aber es wäre relativ unwahrscheinlich, daß der Kiebitz davon so gar nichts erfahren hätte - wie ein intimer Kenner der Szene dem Kiebitz soeben telefonisch nochmals bestätigt hat. Wenn die Bemerkung allerdings insinuieren sollte, der Kiebitz habe selber Ambitionen auf eine Job in Frankfurt bekundet, dann hat die Presseabteilung tatsächlich erreicht, was vielleicht beabsichtigt war: eine nette kleine persönliche Herabsetzung. "Verleumde nur kühn, es wird schon etwas hängenbleiben", wie der Volksmund weiß.

Das natürlich könnte man dem Kiebitz vice versa auch vorhalten, aber dann möge man bitte mit korrekten Zitaten belegen, wo der Kiebitz ähnlich verleumderisch argumentiert hat - aber das ist ja schon im ersten Anlauf schwer gefallen...

Wollen wir es deshalb hier mit der Widerlegung der Widerlegung bewenden lassen. Die Email-Antworten aus Sortiment und Verlag zeigen deutlich, daß der Kiebitz mit seiner Meinung durchaus nicht alleine steht. Aber der Verein scheint eine konstruktive Auseinandersetzung nicht zu wollen. Dabei wäre diese, und das sagen viele Auguren, dringendst geboten!

Was stand denn eigentlich in dem Artikel, und was sollte so dringend diskutiert werden?

Bis dahin gibt es so weitgehende Übereinstimmung in dem vielstimmigen Chor, daß sich sofort die Frage aufdrängt:

Das sollte diskutiert werden, und nicht, ob der Kiebitz so getan hat, ob er ein Buchhändler wäre, das ist doch Kinderkram. Und Personalien sollten nun wirklich endlich mal offen diskutiert werden, insbesondere dann, wenn das Wohl und Wehe des Vereins davon abhängt.

P.S.: Einige meinen, die Diskussion sei so wichtig, daß der Kiebitz sich doch bitte outen solle. Ich weiß zwar nicht, was das an der Qualität der Argumente ändern würde, aber ich beuge mich dem. Nicht ohne zuvor klargemacht zu haben, warum ich bislang anonym geblieben bin. Wer mich kennt, weiß, daß ich persönlich Auseinandersetzungen niemals feige aus dem Weg gehe. Vieles von dem, was ich im Artikel geschrieben habe, ist mir von Menschen zugetragen worden, die, ähnlich wie ich, in Organisationen oder Ausschüsse und Arbeitskreise eingebunden sind, und mit Rücksicht auf diese Organsiationen ihre Meinung so nicht veröffentlichen könnten. Das gleiche gilt inzwischen auch für mich. Ginge es nur um mein eigenes Geschäft, hätte ich ohne weiteres mit meinem Namen gezeichnet. Aber ich habe Partner, Kollegen etc. Und die möchte ich nicht dem Risiko aussetzen, daß ihre mit meiner Meinung verwechselt wird. Ich werde deshalb weiterhin als Kiebitz zeichnen, aber jedem, der mich anmailt, meinen Namen sagen - mit der dringenden Bitte, diesen nicht in Zusammenhang meinen Geschäftspartnern oder Kollegen zu bringen, etwa so: "Der Meierschulze von der XY hat aber gesagt..." - die XY hat *nichts*, ich wiederhole, nichts damit zu tun - genausowenig, wie einige verdienstvolle und tätige Menschen beim Börsenverein für das strukturell verursachte Ungleichgewicht zu Lasten der Buchhändler  veranwortlich sind, aus dem in den letzten Jahren vielerlei Fehlentscheidungen resultierten. In der heutigen Medienwelt hat es der stationäre Buchhandel schwer genug, da braucht man funktionierende Strukturen, die die bunte Vielfalt der Buchhändlerei wirksam unterstützen. Darum geht es.